Kolumne von Gerd Häcker, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH in München.
Seit Wochen und Monaten hören wir von steigenden Inflationsraten. Lieferengpässe, gestiegene Transportkosten und hohe Energiepreise werden als wichtige Gründe für hohe Preissteigerungsraten genannt. Lange Zeit waren die Nahrungsmittelpreise von solchen Entwicklungen verschont geblieben. Nun hat sich das Blatt gewendet. Die Agrarpreise ziehen deutlich an. Müssen wir befürchten, dass unsere Lebenshaltungskosten nun deutlich höher werden? Und was bedeutet das für Investitionen in Agrarunternehmen?
Verbraucher müssen tiefer in die Tasche greifen
Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass bei einigen Lebensmitteln die Preise in den Vormonaten um ca. 35 Prozent gestiegen sind. Neben stark steigenden Agrarrohstoffen sorgen explodierende Energie- und Transportkosten für Verunsicherung bei vielen Herstellern. Voraussichtlich werden diese in den nächsten Monaten verstärkt versuchen, die steigenden Kosten über Preiserhöhungen an die Verbraucher weiterzugeben. Das geschieht nicht immer offensichtlich. Die Praxis, die Füllmengen der Produkte zu reduzieren, hat sich durchgesetzt.
Chinas Hunger nach Nahrungsmitteln ist ein weiterer struktureller Faktor, der die Nachfrage anheizt und für steigende Preise bei Agrarrohstoffen sorgt. Die aufstrebende Mittelschicht im Reich der Mitte kann sich immer öfter eine höherwertige und proteinreichere Ernährung leisten. Dieser Faktor wird sich in den nächsten Jahren verstärken. Als Konsequenz erhöht eine deutliche Ausweitung der Tierzucht die Nachfrage nach Futtermittel. Kurzum: Eine Angleichung der Ernährungsgewohnheiten einer breiten chinesischen Mittelschicht an den westlichen Standard kann bei begrenztem Angebot die Agrarrohstoffmärkte bei geringsten Engpässen aus der Balance bringen. Es bedarf nur eines Auslösers: Instabile Lieferketten sowie schwächere Ernten in China wären dazu geeignet.
Hohe Energiepreise bremsen Düngemittelproduktion
Im Agrarland Brasilien stehen große Versorgungsprobleme aufgrund der sich verschärfenden Düngemittelkrise ins Haus. Die Produktion von Stickstoff ist extrem energieintensiv. Auch in anderen südamerikanischen Ländern rechnet man mit einer deutlich reduzierten Nahrungsmittelproduktion, da chinesische Produzenten wegen der steigenden Energiekosten die Produktion von Düngemitteln gedrosselt haben. Brasilien importiert ca. 85 Prozent seiner Düngemittel und ist damit stark abhängig von günstigen Lieferungen.
Auch hierzulande gibt es Planungsunsicherheit bezüglich der ausreichenden Versorgung mit Düngemitteln. Die Preise für den Stickstoffdünger Kalkammonsalpeter haben sich beispielsweise binnen eines Jahres verdoppelt. Die Produktion wurde bei den Herstellern zurückgenommen, da es für sie ökonomisch keinen Sinn mehr macht, auf gegenwärtigem Niveau der Energiepreise zu produzieren. BASF und Yara kündigten aus diesem Grund eine Stilllegung von Produktionskapazitäten an. Nicht nur die Gaspreise sind in Europa gestiegen, sondern auch die Kosten für die erforderlichen CO2-Zertifikate.
Starke Performance bei Agrarunternehmen
In den letzten eineinhalb Jahren entwickelten sich die Aktien der globalen Düngemittelproduzenten ausgezeichnet. Mosaic und Nutrien sind hier nur zwei Beispiele von erfolgreichen Marktführern in diesem Segment. Kursgewinne von 100 bis 300 Prozent waren hier zu erzielen. Auch das deutsch-kanadische Unternehmen K+S konnte mit ca. 200 Prozent Kursgewinn überzeugen. Die Notierungen von Stickstoffdünger-Produzenten wie CF Industries und Yara entwickelten sich ebenfalls sehr erfreulich. Auch der Bereich der landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge wurde von der Entwicklung erfasst. DiWie geht es weiter?
Darüber hinaus hat ein Versorgungsmangel immer auch eine politische Dimension, die es zu beachten gilt. Kein Staat kann sich erlauben, die eigene Bevölkerung nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Das Risiko eines Machtverlustes der Regierenden wäre zu groß. Damit kann es jederzeit zu einer erhöhten Nachfrage zur Sicherstellung der Versorgungslage durch die Staaten kommen. Läger mit Nahrungs- und Düngemitteln könnten schon kurzfristig strategisch aufgefüllt werden, um die Versorgungslage sicherzustellen. Ähnlich wie in der Industrie kann es hierbei zu Hamsterkäufen kommen, die zu weiteren Preissteigerungen führen würden.
Viele Marktteilnehmer stellen sich nun die Frage, ob sich die Lage an den Agrarmärkten kurzfristig wieder entspannen wird. Wir gehen davon derzeit nicht aus. Neben den erwähnten strukturellen Faktoren sind Lieferketten und Energiemärkte aus dem Gleichgewicht geraten. Gleichzeitig steigt in Folge der Konjunkturerholung die Nachfrage. Wir finden eine Gemengelage vor, die durch Knappheit und damit steigenden Preisen gekennzeichnet ist. Wir sind der Meinung, dass dieses Umfeld durchaus zu weiteren Kurssprüngen bei Agraraktien führen kann. Die Rahmenbedingungen bleiben also positiv. Da weite Teile der Agrarwirtschaft allerdings als sehr energieintensiv gelten, könnten sich aufgrund weiterer Kapriolen an den internationalen Öl- und Gasmärkten viele Gewinnerwartungen in der Branche schnell in Luft auflösen.