Aufschwung mit Inflation

von | 05. Mai 2021

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Der von uns in den vergangenen Marktberichten diskutierte globale Konjunkturaufschwung gewinnt an Dynamik, angetrieben vor allem durch die USA. So beispiellos wie die letzten zwölf Monate waren, ist auch der Verlauf dieser Erholung ohne Beispiel. Die Verbraucher befinden sich weltweit wieder in sehr robuster Verfassung und die fiskalpolitischen Anreizpakete sind in Ausmaß und Anspruch einzigartig. Auch wenn weitere Faktoren das Wachstum beeinflussen, besitzt das Impf-Management eine herausragende Bedeutung. Hier rangieren die Vereinigten Staaten in der weltweiten Spitzengruppe. Die Wachstumszahlen für das erste Quartal 2021 fielen dort als Konsequenz deutlich besser aus als erwartet. Die Wirtschaftspolitik gießt prozyklisch Öl ins Feuer und der Impffortschritt lässt eine weitgehende Öffnung des öffentlichen Lebens näher rücken.
Die Corona-Pandemie hat beispiellose Schuldenexzesse weltweit ausgelöst. In den USA wurde gerade ein Hilfsprogramm über 1.900 Milliarden US-Dollar verabschiedet. Und schon plant Präsident Biden ein weiteres Konjunkturpaket über 3.000 Milliarden US-Dollar, um die Wirtschaft über Infrastrukturprogramme zu stimulieren. Die EU hat ein Hilfsprogramm über 750 Milliarden Euro am Start (größtenteils nicht rückzahlbar), um den „armen“ Südländern durch die Corona-Krise zu helfen. Auch in Deutschland wird die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse hemmungslos über Bord geworfen, um die Wirtschaft schnell wieder zu beleben.

Aber auch in Europa hellt sich langsam die Stimmung auf. Mit ordentlicher Verspätung haben auch hier die Impfkampagnen Fahrt aufgenommen. Das längerfristige Bild stimmt optimistisch, da der Recovery Fund der EU die Grundlage für strukturelle Veränderungen darstellt. Die Auswirkungen dürften in den kommenden Monaten deutlich sichtbar werden. Zudem bedürfen die geplanten Wirtschaftsprogramme auf globaler Ebene zukünftiger Produktion und Vorbereitung. Sie sind historisch betrachtet massiv und implizieren neben der Investitionsgüternachfrage aus dem Grundrauschen der globalen Wirtschaft zusätzliche Nachfrage in den kommenden Jahren. Die europäische, vor allem aber die deutsche Volkswirtschaft sollte aufgrund der Exportlastigkeit und der Branchenstruktur überproportional davon profitieren können.

Präsident Bidens Steuerpläne – eine Gefahr für den Aufschwung?

Eine Reihe von Steuer-Initiativen kündigen sich am Horizont an. So hat die Biden-Administration im April vorgeschlagen, den US-Körperschaftsteuersatz von 21 auf 28 Prozent anzuheben. Zudem gibt es einen wachsenden Konsens zwischen den politischen Entscheidungsträgern in verschiedenen Ländern, die Körperschaftsteuersätze teilweise zu harmonisieren. So soll den Unternehmen die Flucht in Steueroasen erschwert werden.

Vor kurzem kündigte US-Präsident Biden zusätzlich einen Vorschlag an, die langfristigen Kapitalertragssteuersätze von 20 auf über 40 Prozent für Personen anzuheben, die mehr als eine Million Dollar pro Jahr verdienen. Die Börsen reagierten kurzzeitig in den Minuten rund um diese Ankündigung sehr negativ, erholten sich aber am nächsten Tag wieder schnell. Diese Ankündigung fiel auch mit einer Runde von Verkäufen in den Krypto-Märkten zusammen.

Nach Angaben der US-Notenbank (FED) befinden sich 53 % der US-Aktien im Besitz der obersten 1 Prozent der Bevölkerung. Das wäre die Gruppe, die mit diesen höheren Kapitalertragssteuersätzen in erster Linie konfrontiert wäre.

Die Wahrscheinlichkeit, diese Vorschläge durch den gespaltenen Senat zu bekommen, ist aus unserer Sicht aber gering. Die Biden-Administration würde alle 50 Stimmen der Demokraten benötigen, um das Vorhaben zu realisieren. Aber eine Handvoll liberaler demokratischer Senatoren haben ihre Ablehnung bereits öffentlich kundgetan. In den kommenden zwei Jahren mag es einige Steuererhöhungen geben, aber wahrscheinlich nicht in diesem Ausmaß. Nach den nächsten Zwischenwahlen müssen wir diese Wahrscheinlichkeiten auf der Grundlage des Ergebnisses neu bewerten.

Insgesamt ist dieses Thema sicherlich zu beobachten. Der effektive US-Körperschaftsteuersatz befindet sich seit dem Zweiten Weltkrieg auf einem Abwärtspfad, was als struktureller Rückenwind für die Aktienkurse gewertet werden kann.

Dauerhafte Fiskalpolitik

Seit Ausbruch der Pandemie wird zunehmend offensichtlich, dass wir in eine Ära dauerhafter Fiskalpolitik eingetreten sind. Dies ist eine absolute Kehrtwende zu der jahrelangen Wunschvorstellung von Regierungen und Notenbanken, dass eine Normalisierung der Budgetdefizite und der Geldpolitik in absehbarer Zeit möglich seien. Wir haben dies an dieser Stelle in den vergangenen Jahren immer wieder in Zweifel gezogen. Oder anders ausgedrückt: Die Tage, an denen die politischen Entscheidungsträger glaubten, die Wirtschaft könne ausschließlich durch Gelddrucken, Zinsmanipulation und Vertrauen ins Bankensystem am Laufen gehalten werden, sind endgültig vorbei. Die expansive Geldpolitik hat allenfalls die Realwirtschaft in eine stabile Seitenlage gebracht und gleichzeitig die Vermögenspreise inflationiert. Es scheint so, als benötige die Wirtschaft nun eine andere Medizin. Die oben erwähnte Steuerdebatte in den USA sowie die Kommunikation der FED (Vorrang des Arbeitsmarktes vor Inflation) fungieren als Symptome eines Richtungswechsels. Wir beobachten eine zunehmende Priorisierung der sozialen Stabilität vor der Finanzstabilität.

Es scheint so, als wäre die Dominanz der Fiskalpolitik die Antwort der Politik auf die steigende Ungleichheit. Politiker sehen die Demokratie in Gefahr. Die konjunkturellen Aufschwung-Phasen nach den diversen Krisen der vergangenen Jahrzehnte machten die Reichen nur noch reicher. „Kein Wunder“ werden Sie sagen, wenn die Notenbanken die Zinsmärkte derart manipulieren und damit eine Vermögenspreisinflation entfachen. Wir stimmen zu. Nun beobachten wir aber ein Umdenken. In der laufenden Erholung zielt der Schwerpunkt der Maßnahmen auf die unteren Einkommensgruppen sowie die ärmeren Teile der Bevölkerung. Dies wird gravierende Auswirkungen auf die Kapitalmärkte haben.

Die Biden-Administration hat dieses Thema für sich entdeckt. Die wachsende Ungleichheit in den USA spaltet das Land weiter und untergräbt die demokratische Ordnung. Zur Heilung wird eine von der Notenbank finanzierte Fiskalpolitik als Medizin verabreicht, die es so in den vergangenen Jahrzehnten nicht gab. Das neue Mantra: Möglichst viel Geld drucken und ausgeben so lange Zins und Inflation auf niedrigem Niveau verharren. Auf den ersten Blick scheint das ein einfacher Weg zu sein, wir sollten aber die möglichen Begleiterscheinungen dieser neuen Politik im Auge behalten. Eine davon: Steigende Inflationsrisiken.

Wir sehen eine Parallele zu den 1960er Jahren, als die FED nichts gegen die steigende Inflation unternahm, weil die USA einen Krieg in Vietnam führten und die Regierung von Lyndon B. Johnson das Great Society Project ins Leben gerufen hatte, um die Ungleichheit in Amerika abzubauen. Vor diesem Hintergrund hatte die FED nicht den Mut, eine straffere Geldpolitik zu betreiben. Heute sind wir wieder an diesem Punkt angelangt. Wir müssen also in die 1970er Jahre zurückblicken, um Parallelen zu entdecken.

Für die Kapitalmärkte in der heutigen Struktur ist dies nahezu Neuland. Kein Mensch unter 50 Jahren hat je eine inflationäre Welt in seinem Leben erfahren. Kein Ökonom, Analyst und Portfoliomanager unter 70 Jahren hat sich in einem derartigen Umfeld in seinem Berufsleben behaupten müssen. Kaum einer kann sich an Auto-freie Sonntage während der OPEC-Krise erinnern. Damalige Zinssätze jenseits der 10 Prozent-Marke klingen wie aus einer anderen Welt. Der Spitzensteuersatz in den USA lag bei rund 70 Prozent, ehe der damalige Präsident Ronald Reagan die Steuern in den frühen 1980er Jahren massiv gesenkt hat, nachdem die Inflation rückläufig war, zuvor aber die Staatsschulden entwertet hatte.

Im Jahr 1971 wurde das Ende des Systems von Bretton Woods besiegelt, als Präsident Nixon die Gold-Anbindung des US-Dollars beendete. Dies war die Geburtsstunde des heutigen Fiat-Geldsystems, das Bundesbankpräsident Jens Weidmann einmal so beschrieb: „Heutiges Geld ist durch keinerlei Sachwerte mehr gedeckt. Banknoten sind bedrucktes Papier – die Kenner unter Ihnen wissen, dass es sich im Fall des Euro eigentlich um Baumwolle handelt, Münzen sind geprägtes Metall.“

Die Inflation der 1970er Jahre endete in den frühen 1980er Jahren, als Notenbankpräsident Paul Volcker der Geldentwertung mit massiven Zinserhöhungen den Kampf ansagte. Heute befinden sich die Notenbanken in einem Dilemma. Kein Notenbanker weltweit kann Volckers Strategie wiederholen. Dies hätte katastrophale Konsequenzen sowohl für die Realwirtschaft als auch für die Kapitalmärkte. Aufgrund der astronomischen Gesamtverschuldung können beide auf derzeitigem Niveau nur bei sehr niedrigen Zinsniveaus überleben. Schließlich werden die Notenbanken argumentieren, dass immer noch Notstand herrscht, um ihre expansive Strategie zu rechtfertigen. Der Markt wird diese Konstellation mit höheren Inflationsraten beantworten. Wir sollten uns bewusst machen, dass wir von nun an in eine völlig andere ökonomischen Umgebung eintreten, die wir zu Lebzeiten noch nicht erfahren haben.

Fazit: Niedrige Zinsen und Gelddrucken allein reichen nicht mehr aus, um die Realwirtschaft zu stimulieren. Unter anderem haben dadurch steigende Vermögenspreise zu großer Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung geführt. Diese Ungleichheit ist mittlerweile zu einem gefährlichen politischen Problem geworden, da sich breite Bevölkerungsgruppen abgehängt fühlen. Um den sozialen Frieden zu sichern, wird als Konsequenz das verfügbare Einkommen erhöht (Mindestlöhne, Löhne, Transferzahlungen etc.). Eine Lohn-Preis-Spirale kündigt sich allmählich an. Die Inflation wird sich folglich nicht mehr ausschließlich auf die Vermögenspreise konzentrieren, sondern die Konsumentenpreise erreichen. Die Notenbanken beschwichtigen, denn diese Politik kann nur gelingen, wenn sich steigende Inflationserwartungen nicht in der Bevölkerung etablieren und zu einem entsprechenden Zinsdruck führen. So rechnen sie – wie übrigens auch die meisten Wirtschaftsexperten – nur mit einem vorübergehenden leichten Überschießen der Teuerungsziele. Steigende Energie- und Rohstoffpreise, steil nach oben kletternde Einkaufsmanager-Indizes, die schiere Größe der Fiskalpakete, die Corona-bedingten Hilfskredite, Engpässe in den globalen Lieferketten, der Rückbau der Globalisierung, steigende Frachtraten, Handelsbeschränkungen und Produktivitätsverluste bilden aus unserer Sicht aber eine Mixtur, die für einen strukturellen und länger anhaltenden Inflationstrend sprechen. Inflationsraten über vier Prozent in den kommenden Jahren sind daher für uns vorstellbar.

Unser Ziel: Ein inflationsgeschütztes Portfolio

In diesem Umfeld bleiben Sachwerte erste Wahl, wie wir in den vergangenen Monaten detailliert beschrieben haben. In inflationären Zeiten werden neue Investitionsstrategien erforderlich sein. Die allgemeine Faustregel sollte lauten: Reale statt nominaler Vermögenswerte. Value-Aktien, Rohstoffe, Edelmetalle, Immobilien, SmallCaps und Rohstoffwährungen bilden daher weiter den Grundstock unserer Portfolios. Noch befinden wir uns in der Frühphase inflationärer Tendenzen, noch besteht die Möglichkeit (was wir bezweifeln), dass der kommende Preisanstieg nur vorübergehender Natur ist. Sollte sich der Trend aber verstetigen, werden wir den Inflationsschutz der uns anvertrauten Mandate nochmals deutlich ausbauen.

Insgesamt dürften sich die Kapitalmärkte in den kommenden Wochen weiterhin freundlich präsentieren, wenn auch der Anstieg nicht in dem Tempo der vergangenen Monate vonstattengehen sollte. Kein Wunder, hat der Internationale Währungsfonds kürzlich seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft in diesem Jahr auf 6 Prozent angehoben. Behält er recht, wäre das die stärkste Expansion seit mindestens 1980. Zyklische Aktien und Rohstoffe profitieren von der Erholung der Weltwirtschaft am stärksten. Die Auswirkungen der globalen Infrastrukturpläne wurden unseres Erachtens noch nicht vollständig eingepreist. Anders als in den vergangenen Jahren wird die Wachstumsdynamik derzeit massiv unterschätzt. Sollte die Pandemie in den kommenden Monaten abebben und die Weltwirtschaft wie erwartet einen Boom

erleben, dürften die Inflations- und Gewinnerwartungen einen zusätzlichen Schub erfahren. Die Folge wären weiter steigende Aktienkurse und Rohstoffpreise.

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