Das monetäre Endspiel hat begonnen – Gezeitenwechsel für Anleger

von | 20. Oktober 2020

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Kolumne von Markus Steinbeis, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH in München.

Die Corona-Krise traf dieses Jahr auf eine Welt mit einer Rekordverschuldung. Das ist der Grund, weshalb aus dieser, sonst verkraftbaren, Krise eine existenzielle wurde. Nach der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008/09 kommt es innerhalb kurzer Zeit wiederholt zu einem rapiden Anstieg der Staatsverschuldung. Die neueste Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds rechnet für 2020 mit einem Einbruch des globalen Wachstums um etwa 4,4 Prozent. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Begriffe wie Deflation und Rezession die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse prägen. Soll man sich in diesem Umfeld ernsthaft auf Inflation einstellen? Aus unserer Sicht muss man es sogar. Die Geldschwemme der Notenbanken sowie die Monetarisierung der Staatsfinanzen führen mittlerweile zu einem deutlichen Anstieg der Geldmengen. Für Anleger beginnt ein Gezeitenwechsel.

Die Unabhängigkeit der Zentralbanken: Ein Relikt aus vergangenen Zeiten

Die Geldmenge M2 (Bargeld sowie Spar- und Geldeinlagen mit maximaler 2-jähriger Laufzeit und 3-monatiger Kündigungsfrist) wächst in den USA mit über 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr an. In der Eurozone sind es immerhin etwa 10 Prozent. Eine exzessive Ausweitung der Geldmengen war in der Vergangenheit stets die Basis für inflationäre Entwicklungen. Wie so oft in der Geschichte, können auch in unserer Zeit die meisten Staaten ihre Ausgaben nicht mehr durch Steuereinnahmen oder die Ausgabe von Anleihen am Kapitalmarkt decken. Deshalb wird die Notenpresse angeworfen. Wir erleben derzeit eine beispiellose Gleichschaltung von Fiskal- und Geldpolitik. Die Notenbanken sind zu Vasallen der Regierungen verkommen. Nur die Älteren unter uns erinnern sich an deren frühere Unabhängigkeit.
Wir befinden uns am Beginn der sogenannten Modern Monetary Theory (MMT). Demnach können Staaten quasi unbegrenzt über Ihre Einflussnahme auf die Notenbanken die Geldmenge erhöhen. Für uns ist dies aber weder modern, noch klingt es nach Theorie. Vielmehr ist es eine Verzweiflungstat in einem monetären Endspiel, das längst begonnen hat. Wo führt uns das hin, wenn Budgetdefizite und Staatsschulden anscheinend keine Rolle mehr spielen, weil sie mit frisch gedrucktem Geld und künstlich gedrückten Zinsen irrelevant geworden sind? Nun, das sind gute Nachrichten für alle Schuldner. Für Anleger und vor allem für die Altersvorsorge breiter Bevölkerungsschichten ist das aber eine Katastrophe. In nahezu allen wichtigen westlichen Ländern bewegen sich die Realzinsen (Nominalzinsen abzüglich der Inflationsrate) im negativen Bereich. Gläubiger werden in großem Stil enteignet.

Das süße Gift frisst sich durch

Das süße Gift des billigen Geldes wirkt und frisst sich immer tiefer in wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Strukturen. Öffentliche und private Schulden steigen ins Unermessliche, Zinsdienste sind ja kaum zu leisten. Die Finanzindustrie profitiert von der Inflation der Vermögenspreise und die Politik genießt die neuen Spielräume, die ihr das frisch gedruckte Geld bietet. Wohltaten werden verteilt und Wahlversprechen überbieten sich. Es riecht wieder nach Sozialismus. Das System ist auf Drogen und der Stoff heißt Verschuldung. Das Gleichgewicht ist nur zu halten, wenn die Dosis stetig erhöht wird. Geschieht das nicht, zeigt der Patient Entzugserscheinungen. Letztmals zu beobachten im vierten Quartal 2018, als die US-Notenbank den Versuch startete, die Zinsen anzuheben und ihre Bilanz zu verkürzen.

Der Aufschrei der Bevölkerung bleibt bislang aus. Noch herrscht Vertrauen in das Geldsystem. Sollte dieses Vertrauen schwinden, wird es ernst. Die Menschen werden dann beginnen, das Geld gegen Sachwerte einzutauschen. Als Konsequenz steigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und die hohen Geldmengen entfalten ihre inflationäre Dynamik. In der Politik regt sich kaum Widerstand. Systemkritik in den Mainstream-Medien? Überwiegend Fehlanzeige. Historische Erfahrungen werden bewusst ausgeklammert. Dabei sind die Geschichtsbücher voll von Regimen, die über frisch geprägtes oder gedrucktes Geld handlungsfähig bleiben wollten und letztendlich das Gegenteil erreichten. „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich oft“ schrieb einst Mark Twain. Zur Einführung des Euros vor 20 Jahren konnte man mit 1.000 Euro noch mehr als 4 Unzen Gold erwerben. Heute nicht mal mehr eine. Es wäre sehr verwunderlich, wenn sich die Entwertung der Papierwährungen in den kommenden Jahren nicht beschleunigen würde. Bislang zeigt sich die Inflation nur im Bereich der Vermögenspreise. Die jüngste Explosion der Geldmengen aufgrund diverser Fiskalprogramme sollte sich aber in den kommenden Jahren auch auf die Konsumentenpreise auswirken.

Eine neue Ära der Substanzwerte

Wir befürchten aufgrund der dramatischen Geldschwemme einen deutlichen Wertverlust vieler Papierwährungen in den kommenden Jahren. Für die heutige Anlegergeneration in Deutschland verschieben sich damit die Koordinaten. Seit den 1970 Jahren agierten Anleger tendenziell in einem disinflationären Umfeld. Sinkende Zinsen sorgten für steigende Anleihekurse. Konservative Anleger konnten ihr Vermögen über Spareinlagen und Anleihen, also in der Gläubigerfunktion, stetig vermehren. Die Realzinsen waren meist positiv. Die Zukunft dürfte sich ganz anders präsentieren. Ein Einsammeln der Liquidität durch die Notenbanken über Zinserhöhungen wäre politischer und wirtschaftlicher Selbstmord. Steigende Inflationsraten werden die Realzinsen also nur noch weiter in den negativen Bereich drücken. Das monetäre Endspiel hat längst begonnen. Eine neue Ära der Substanzwerte zeichnet sich somit ab.

Was der Markt für Edelmetalle seit vielen Monaten andeutet, dürfte auch in absehbarer Zeit bei anderen Anlageklassen zu beobachten sein. Güter, die in einer Geldentwertung das Vermögen sichern können, werden in das Blickfeld der Investoren geraten. Neben bilanzstarken Unternehmen zählen dazu ausgewählte Immobilien, Edelmetalle, Rohstoffe und vielleicht auch inflationsgeschützte Anleihen. Es scheint so, als haben Politik und Notenbanken durch ihre Fusion ein neues Kapitel an den Finanzmärkten aufgeschlagen.

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