Der Februar war gekennzeichnet durch ausgeprägte Turbulenzen an den internationalen Kapitalmärkten. Das für die Aktienmärkte so oft an dieser Stelle beschriebene ideale Umfeld aus niedriger Inflation, niedrigen Zinsen sowie starkem globalen Wirtschaftswachstum bekam erste Kratzer. Wir hatten erstmals in unserem Marktbericht im November 2017 auf die Risiken hingewiesen, dass diese Kombination historisch extrem selten und sicherlich nicht trendfähig ist. Seit dieser Zeit hat die konjunkturelle Dynamik im Einklang mit der Zuversicht der Investoren nochmals zugelegt. Umfragen unter Anlegern legten die Vermutung nahe, dass angesichts des starken Wirtschaftsaufschwungs Aktien eigentlich gar nicht mehr fallen können – was für ein Trugschluss. Es bedurfte nur eines Auslösers für eine Abkühlung des Optimismus und damit einer Korrektur. Letztendlich übernahm diese Funktion der US-Arbeitsmarktbericht vom Januar, in dem von einem deutlichen Anstieg der Stundenlöhne berichtet wurde. Steigen die Löhne, steigen die Inflationsraten und damit die Zinsen, lautet die einfache Kausalkette vieler Anleger. Und tatsächlich, die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen stiegen auf 2,9 Prozent, 0,5 Prozent über dem Niveau vor einigen Monaten.
In einer völlig überschuldeten Welt ist das eine nennenswerte Bewegung. Zudem konkurrieren Anleihen mit anderen Anlageklassen wie Aktien. Bei nun steigenden Zinsen stellen Anleihen in den USA wieder eine Alternative zum Aktienmarkt dar. Diese Tatsache in Verbindung mit hohem Optimismus der Anleger sorgte für erratische Kursverluste von über 10 Prozent bei vielen internationalen Indizes.
Sorge vor steigenden Zinsen hat mehrere Ursachen
Auch wir erwarten in den kommenden Monaten steigende Inflationsraten, aber nicht in einem signifikanten Ausmaß. Globalisierung und Digitalisierung sollten dafür sorgen, dass sich der Preisauftrieb historisch gesehen auf einem niedrigen Niveau bewegen wird. Es dürfte sich in den kommenden Monaten mehr um eine Normalisierung als um ein Überschießen handeln. Die Erwartung steigender Konsumentenpreise ist aber nur eine Ursache für die derzeit anziehenden Renditen, die wir nachfolgend kurz erläutern wollen.
Weltweit versuchen die Zentralbanken von ihrer expansiven Politik abzurücken. Damit wir uns nicht falsch verstehen, sie sind immer noch sehr expansiv, aber eben nicht mehr so ausgeprägt, wie in den vergangenen Jahren. In einer auf Kredit basierenden globalen Ökonomie ist dies von hoher Bedeutung. Allen voran in den USA möchte Jerome Powell, der neue Präsident der US-Notenbank FED, die Zinspolitik normalisieren. Dies bedeutet nicht weniger, dass sich die kurzfristigen Zinsen von heutigem Niveau auf etwa 2,75 Prozent verdoppeln müssten. Voraussichtlich wird er mit dem ersten Schritt im März beginnen und den Prozess in den kommenden Quartalen fortsetzen. Am Kapitalmarkt werden derzeit für 2018 drei bis vier Zinsschritte erwartet. Es ist ein gefährlicher Weg, einem überschuldeten System Liquidität zu entziehen, das weiß auch die FED. Zu oft haben in der Vergangenheit abrupte Zinserhöhungen Turbulenzen an den Kapitalmärkten und rezessive Tendenzen in der Realwirtschaft zur Folge gehabt. Wir gehen daher davon aus, dass im Falle weiterer Kursrückgänge beim US-Aktienmarkt der Zinserhöhungspfad schnell wieder verlassen wird.
Als größtes Risiko für stärker steigende Zinsen erachten wir die unverantwortliche Haushaltspolitik der US-Regierung. Sowohl die große Steuerreform als auch die geplanten Infrastrukturprogramme werden größtenteils kreditfinanziert. Schon 2019 sollte nach unserer Einschätzung das Haushaltsloch die Marke von einer Billion US-Dollar übersteigen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt würde das Defizit von bisher etwa 4 Prozent auf mehr als 6 Prozent in 2020 steigen. Damit befindet sich das Defizit nahezu exakt auf dem Niveau des Jahres 2008 – zu dieser Zeit tobte die Finanzkrise. Als Konsequenz höherer Verschuldung stellt sich die Frage, ob genügend Nachfrage für die neue Angebotswelle an US-Staatsanleihen verfügbar sein wird? Ausländische Investoren halten etwa 43 Prozent der ausstehenden US-Staatsanleihen, allen voran China und Japan. Viel deutet darauf hin, dass die Aufnahmebereitschaft vieler Länder in den kommenden Jahren begrenzt bleibt. Der Trend ist nämlich eindeutig: Seit 2015 hat China die Bestände an US-Staatsanleihen um etwa 4 Prozent, Japan gar um 12 Prozent reduziert. Neben ausländischen Investoren ist die FED der zweitgrößte Halter der Staatsanleihen. Aber auch die Notenbank kommt mangels eines aktuellen Quantitative-Easing-Programmes mittelfristig als Käufer nicht in Betracht. Vielmehr will sie sogar ihr Portfolio langsam reduzieren. Es schwelt somit die latente Gefahr, dass nur über höhere Zinsen ausreichend Nachfrage für eine Flut neuer Staatsanleihen generiert werden kann. Dies würde eine Ausweitung des Realzinses (Nominalzins abzüglich Inflationsrate) bedeuten, was für Konjunktur und Kapitalmärkte extrem unangenehm wäre. Oder mit anderen Worten: Ein dauerhafter Zinsanstieg, der nicht maßgeblich durch die Inflationsentwicklung erklärt werden kann, stellt das zentrale Risiko des Finanzsystems dar.
Zusammenfassend betrachtet halten wir aber aus heutiger Sicht das Risiko deutlich steigender Zinsen für begrenzt. Allerdings haben aufgrund der oben beschriebenen Entwicklungen die Aufwärtsrisiken zugenommen. In den vergangenen Tagen und Wochen ließ sich eindrucksvoll beobachten, wie zinssensitiv die Kapitalmärkte geworden sind. Unser verschuldetes Wirtschaftssystem ist nicht mehr in der Lage nachhaltig höhere Zinsen zu bedienen. Steigen die Renditen über eine vom Markt definierte „Schmerzgrenze“, kommt es schnell zu Verwerfungen und Korrekturen an den Finanzmärkten und möglicherweise zu Bremsspuren in der Realwirtschaft. Der Entzug vom billigen Geld verursacht Abwehrreaktionen. Es ist schwer zu bestimmen, wo sich diese „Schmerzgrenze“ befindet. In den USA dürfte sie bei den 10-jährigen Staatsanleihen etwa bei 3 Prozent liegen. Ein Niveau, das schon knapp erreicht wurde. Ein dauerhaftes und deutliches Überschreiten dieser Marke erwarten wir in den kommenden Monaten nicht. Auch im Euroraum sollte der Großteil der Aufwärtsbewegung der Renditen bereits hinter uns liegen. Die Europäische Zentralbank zeigt sich weiterhin in ihrer Vorgehensweise sehr vorsichtig. Anders als die FED in den USA, wird sie fällig werdende Anleihen in ihrem Bestand auch nach einem Ende des Kaufprogramms noch lange reinvestieren.
Weltwirtschaft zeigt sich weiter stark, die Dynamik bildet sich aber zurück
Keine Frage, die Weltwirtschaft befindet sich weiter auf einem robusten Wachstumskurs. Allerdings häufen sich die Anzeichen, dass die Spitze der Wachstumsdynamik bereits überschritten wurde. So ist im Februar der Ifo-Geschäftsklimaindex überraschend deutlich gefallen. Vor allem die in die Zukunft gerichtete Erwartungskomponente zeigte einen deutlichen Einbruch. Ähnlich enttäuschend wurde der chinesische Einkaufsmanagerindex gemeldet. Dies ist eine auf diesem hohen Niveau ganz normale Entwicklung und daher auch noch kein Grund zur Beunruhigung.
Dennoch sind die ökonomischen Frühindikatoren in den kommenden Monaten genau zu beobachten. Welche Auswirkungen haben die jüngsten Turbulenzen an den Kapitalmärken? Wie stark bremst der jüngste weltweite Zinsanstieg die Aktivitäten in der Realwirtschaft? Haben die weltweit zunehmend protektionistischen Maßnahmen negative Auswirkungen auf den Welthandel? Die nächsten Monate werden Zug um Zug Antworten auf diese Fragen liefern.
Die Gefahr eines Handelskrieges
Die USA plädierten über Jahrzehnte für freie Märkte und forderten gleichzeitig die Öffnung aller Märkte. Dies war die Vergangenheit, die Handelsideologie der Vereinigten Staaten hat sich grundlegend geändert. Donald Trump scheint nun das wahrzumachen, wofür er im Vorfeld seiner Wahl von Wirtschaftsvertretern am meisten gefürchtet wurde: „America First“ durch Protektionismus. Die jüngste Ankündigung, Schutzzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte zu
verhängen, sorgt weltweit für große Aufregung. Es steht das Risiko eines Handelskonflikts zwischen den globalen Wirtschaftsmächten im Raum. Die verbale Reaktion aus China und Europa ließ auch nicht lange auf sich warten. Man werde nicht tatenlos zusehen, wenn durch unfaire Maßnahmen tausende von Arbeitsplätze vernichtet werden, hieß es beispielsweise aus Brüssel. Vergeltungsmaßnahmen seien in Vorbereitung. Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht sofort nachlegen würde. Per Twitter drohte er am 2. März der Europäischen Union im Extremfall mit Importzöllen auf europäische Autos.
Eine Eskalation der Handelsstreitigkeiten wäre das Ende dieses Konjunkturaufschwungs und hätte gravierende Folgen für die Kapitalmärkte. Bleibt zu hoffen, dass allen Protagonisten dieses Risiko bewusst ist. Allein der gesunde Menschenverstand sollte vor Augen führen, dass eine Handlungskette aus Aktion und Reaktion mit zunehmendem Protektionismus in einer globalisierten Welt keine Sieger kennt und am Ende des Tages sogar die Kriegsgefahr erhöht.
Die Konsequenzen für unsere strategische Ausrichtung
Keine Frage, die Risiken an den Kapitalmärkten haben sich in den vergangenen Wochen erhöht. Dies hat sich mittlerweile auch in den Bewertungen vieler Anlageklassen bemerkbar gemacht. Dennoch gibt es noch keine hinreichenden Gründe unsere strategische Sichtweise zum heutigen Zeitpunkt zu revidieren. Das Wirtschaftswachstum zeigt sich weltweit in hervorragender Verfassung. Daten aus allen Ecken der Welt bestätigen die synchrone Aufwärtsbewegung. Auch wenn die Dynamik etwas rückläufig sein sollte, bleibt dies die tragende Säule für viele Anlageklassen wie Aktien, Rohstoffe und Immobilien. Wir haben in dieser Ausgabe einige Risiken für Konjunktur und Kapitalmarkt erörtert. Es ist weniger die durch starkes Wirtschaftswachstum und inflationäre Tendenzen induzierte Zinsentwicklung, die uns zunehmend Sorgen bereitet, als vielmehr die mangelnde Haushaltsdisziplin in den USA sowie der zunehmende weltweite Protektionismus.
Weiterhin erwarten wir unverändert keine nachhaltige Zinswende und sehen uns derzeit eher am oberen Ende einer Bandbreite bei den weltweiten Renditen. Ungeachtet des Risikos eines weiteren kurzfristigen Anstieges der Zinsen gewinnen einzelne Segmente im Anleihebereich wieder an Attraktivität. Somit kann es in den kommenden Wochen durchaus sinnvoll sein, selektiv Positionen bei Anleihen guter Qualität aufzubauen. Hochzinsanleihen erachten wir weiterhin als zu teuer gepreist.
Ein Ende des Zinsanstiegs in der nahen Zukunft ist auch für eine Stabilisierung der Aktienmärkte aus unserer Sicht zwingend erforderlich. Dann sollten die positiven Faktoren wie Gewinnwachstum und Bewertung wieder in den Vordergrund rücken können. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halten wir die Korrektur noch nicht für beendet, denn die Gefahr eines Handelskrieges dürfte viele Anleger weiter verunsichern und die Märkte in Atem halten. Hier materialisiert sich ein Risiko, das viele Investoren aus den Augen verloren haben und das in den Bewertungen bis heute keinerlei Berücksichtigung findet. Erst, wenn sich hier Entspannungstendenzen ankündigen, wäre der Weg für eine deutliche Erholungsbewegung an den Aktienmärkten geebnet. Bis es soweit ist, bleiben wir bei unserer etwas vorsichtigen Grundhaltung.