Das makroökonomische Umfeld und die Entwicklung an den Kapitalmärkten in 2018 unterscheidet sich weiterhin grundlegend vom Vorjahr. Zwar wird die Weltwirtschaft mit über 3,5 Prozent ähnlich stark wachsen wie 2017, die Bewegung erfolgt aber nicht mehr weltweit synchron. Auch an den Aktienmärkten könnten die Kursverläufe kaum unterschiedlicher sein. Während die amerikanischen Indizes in der Nähe ihrer historischen Höchststände notieren, weisen nahezu alle anderen Aktienmärkte seit Jahresanfang teils deutliche Verluste auf. Besonders prekär stellt sich die Situation in den Schwellenländern dar. War die Frage noch am Jahresanfang, ob die Kapitalmärkte dieser Region von einer Korrektur der US-Aktien betroffen wären, sehen sich die Anleger heute einer Situation gegenüber, in der die Kurse an den dortigen Kapitalmärkten deutlich einbrechen, obwohl der Börsenboom in den USA ungebrochen anhält. Letzteres ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass der Aufschwung trotz einer restriktiver werdenden Notenbank mit bisher zwei Zinserhöhungen in 2018 und potentiell zwei weiteren Schritten im restlichen Jahresverlauf voranschreitet.
Die US-Konjunktur zeigt sich weiterhin stark – zumindest quantitativ
Wie lässt sich eine derart gegensätzliche Entwicklung an den Aktienmärkten erklären? Neben einer Vielzahl von Gründen stechen unseres Erachtens drei Faktoren heraus. Der erste ist die unglaubliche Kursentwicklung der US-Hightech-Aktien. Außer vielleicht in China gibt es weltweit keine vergleichbaren Unternehmen. Nahezu der komplette Anstieg des breiten S&P 500 Index in 2018 lässt sich auf den Technologiebereich zurückführen, der in diesem Index bereits mit über 25 Prozent gewichtet ist. Microsoft alleine ist weit mehr wert als der gesamte indische Aktienmarkt, Facebook wird höher bewertet als alle russischen Aktien zusammen. Vor kurzem haben mit Apple und Amazon erstmals zwei Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von jeweils über eine Billion USD eine Schallmauer durchbrochen. Trotz aller positiven Aussichten der Unternehmen, stellt sich für uns die Frage, ob diese Bewertungen mittlerweile nicht blasenartige Züge annehmen. Dass es in der Euphorie keinen Platz für Enttäuschungen gibt, zeigte die Reaktion der Anleger auf die jüngsten Quartalsergebnisse von Facebook. Trotz eines Umsatzanstiegs von 40 Prozent fiel der Kurs innerhalb kurzer Zeit um 20 Prozent – Investoren hatten mehr erwartet. Zwar dauern Übertreibungen an der Börse oft länger als vermutet, aber nach den unglaublichen Aufwärtsbewegungen steigt die Anfälligkeit für Gewinn- und Umsatzenttäuschungen. In den zukünftigen Kurseinbrüchen werden sich viele Chancen ergeben, um in diese attraktiven Geschäftsmodelle zu investieren.
Der zweite Faktor liegt in der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den USA und dem Rest der Welt. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres konnte das europäische Wachstum die Erwartungen noch übertreffen, auch China befand sich in einem robusten Aufwärtstrend. Beide Wirtschaftsregionen haben den Wachstumspfad zwar noch nicht verlassen, senden aber erste Schwächesignale. Darüber hinaus geht wieder die Angst der Anleger in einigen Schwellenländern um. Die bevorstehende Wahl in Brasilien, die Turbulenzen in Argentinien und Venezuela sowie die sich verstärkende Krise in der Türkei schüren die Sorge vor einer weltweiten Ansteckung. Wir werden aber nicht müde zu betonen, dass das zweifellos quantitativ hohe Wachstum der USA von äußerst schlechter Qualität und somit nicht nachhaltig ist. Kurzum, es basiert auf einem hohen Budgetdefizit. Ein Aufschwung auf Pump also. So stieg die US-Neuverschuldung im laufenden Jahr bis Mitte August von 20.492 Mrd. USD auf über 21.400 Mrd. USD. Ein Anstieg von knapp einer Billion USD in kurzer Zeit. Was ist also ein mögliches US-Wachstum von 3 Prozent bei einem Budgetdefizit von 5 bis 6 Prozent wert? Leider wird diese Frage in den Medien kaum gestellt. Nebenbei sei die Bemerkung erlaubt, dass die Wachstumsrate des zweiten Quartals von 4,2 Prozent ein Ausreißer nach oben bleiben sollte. In Antizipation der von der US-Regierung verhängten Importzölle haben viele US-Unternehmen ihre Läger im Vorfeld noch einmal kräftig aufgefüllt.
In der Entwicklung des US-Dollars sehen wir den dritten wichtigen Faktor. Die jüngste Aufwertung des Greenbacks, unterstützt von der (quantitativen) Stärke der US-Konjunktur und den damit verbundenen Aussichten für Zinsanhebungen führten zu einem fast 10 prozentigen Anstieg des Dollar Index (= Index, der die Wertentwicklung des US-Dollars gegen einen breiten Währungskorb misst) seit Februar 2018. Das ist vordergründig für die meisten entwickelten Volkswirtschaften ein Vorteil, da diese über ausreichende inländische Ersparnisse verfügen und eine schwache Währung die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie verbessert. Für viele Volkswirtschaften der Schwellenländer, die auf den Zufluss ausländischen Kapitals angewiesen sind, bereitet eine schwache heimische Währung oft aber große Schwierigkeiten bei der Rückzahlung von Fremdwährungskrediten (meist USD-denominiert). Davon sind Regierungen genauso betroffen wie Unternehmen.
Die Krise in den Schwellenländern weitet sich aus
Die Verwerfungen in einigen Schwellenländern wie Argentinien und Türkei werden zusehends dramatischer. Eine hohe Verschuldung (meist in Fremdwährung) in Kombination mit einem Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit bilden derzeit einen giftigen Cocktail. Kommen dann noch politische Unzulänglichkeiten dazu und wird die Unabhängigkeit der Zentralbank öffentlich in Frage gestellt, ist das Chaos perfekt. In vielen Regionen sind in den letzten Jahren die Schulden kräftig gestiegen. Von 2007 bis 2017 wuchsen die Kredite der Schwellenländer von 145 Prozent auf 210 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Problematisch wird es dann, wenn ein hoher Anteil dieser Schulden in Fremdwährung denominiert ist und die eigene Währung gegenüber der Verschuldungswährung unter Druck gerät sowie die (US-)Zinsen steigen. Genau das passiert gerade. Da viele Länder Fremdwährungsschulden zwischen 20 und 50 Prozent des BIP aufweisen, eskaliert die Situation im Augenblick. Während beispielsweise die Verschuldung in Ländern wie Südafrika, Russland und Mexiko beherrschbar erscheint, befinden sich Argentinien und die Türkei wohl schon inmitten einer Bilanzkrise. Allerdings werden diese beiden Länder die Weltwirtschaft nicht nachhaltig beeinflussen, dafür ist ihr Anteil zu klein. Es besteht aber die berechtigte Sorge vor Ansteckungsgefahren. Sollten die Refinanzierungskosten aufgrund von Vertrauensverlusten für weitere Länder dauerhaft ansteigen und sich gleichzeitig der Währungsverfall fortsetzen, wird die Entwicklung gefährlich. Dann sind eben Argentinien und die Türkei keine Sonderfälle mehr und andere Länder kommen ebenfalls unter Druck. Wer genau hinsieht, kann dafür erste Anzeichen erkennen.
Weiterhin defensive Strategie
Was bedeutet das alles für unsere Strategie in den kommenden Wochen? Trotz der Höchststände bei US-Aktien fühlen wir uns etwas unwohl. Vieles passt nicht zusammen. Die schwache Verfassung einiger Anleihemärkte und die Turbulenzen bei Schwellenländer-Währungen mahnen uns weiter zur Vorsicht. Wenn die Währungsmärkte wie so oft die Funktion von Frühindikatoren einnehmen, dann stehen uns eventuell in den nächsten Wochen noch größere Schwankungen bevor. Einige Aktienmärkte befinden sich bereits in einem deutlichen Abwärtstrend, allen voran China. Anscheinend werden kurzfristig einige Gegenwinde (siehe Marktkommentar August) zu stark. Allen voran die restriktivere Haltung der US-Notenbank und eine Anzahl von politischen Spannungen, wie der Handelskonflikt zwischen der USA und dem Rest der Welt, bilden zunehmend ein herausforderndes Umfeld für Investoren. Insbesondere die Handelsstreitigkeiten könnten sich noch einmal zuspitzen, bevor sich die Lage entspannt. Sollte der bislang starke US-Aktienmarkt in eine, wenn auch nur temporäre Korrekturphase übergehen, wird das nicht folgenlos für die vielerorts eh schon angeschlagenen weltweiten Märkte bleiben. Diese Schwankungen würden wir als Chance sehen, um in attraktive Unternehmen, insbesondere in Europa, zu investieren. Hier hat sich die Erwartungshaltung der Anleger in der jüngsten Vergangenheit deutlich abgekühlt. Die Wahrscheinlichkeit für negative Überraschungen ist damit deutlich gesunken. Die meisten europäischen Volkswirtschaften liefern immer noch moderates, aber stabiles Wachstum. Viele erstklassige Unternehmen bieten nach den schwierigen ersten acht Monaten dieses Jahres wieder attraktive Bewertungen und stabile Dividendenerträge. Eine Diskontierung der weltweiten Risiken und Gefahren ist derzeit ausschließlich an den Kapitalmärkten außerhalb der USA zu beobachten. Wir haben dies in unserer jahrzehntelangen beruflichen Laufbahn in dieser Form noch nicht erlebt. Das immer noch starke Weltwirtschaftswachstum wird sich in den kommenden Monaten positiv in den Umsätzen und Gewinnen niederschlagen. Dies hat der amerikanische Aktienmarkt eingepreist, nicht aber die Märkte in Europa und Asien. Aus strategischer Sicht werden wir im Aktienmarkt investiert bleiben und unsere Positionen bei Kursrückgängen wieder ausbauen. Es wird in den kommenden Wochen aus unserer Sicht darauf ankommen, geduldig auf die Chancen zu warten.