Omikron und Jerome Powell lösen Korrektur an den Aktienmärkten aus

von | 13. Dezember 2021

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Außergewöhnlich starke Kursrückgänge an den Aktienmärkten kennzeichnen den Börsenhandel seit Ende November. Der Deutsche Aktienindex DAX beispielsweise verlor von seinem Höchststand bis einschließlich 30. November knapp 8 Prozent. Die Anleger haben aktuell zwei Hauptthemen zu verarbeiten: die Nachrichtenlage rund um die Omikron-Variante und den neuen Ausblick für die Geldpolitik der amerikanischen Notenbank (FED). Die Kombination dieser beiden Belastungsfaktoren erhöht derzeit die Risikoaversion und sorgt für Volatilität an den Finanzmärkten.
Eine neue Variante des COVID-19-Virus hat die Stimmung an den Finanzmärkten in den vergangenen Tagen deutlich beeinträchtigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnete die Variante als „besorgniserregend“ und gab ihr den Namen „Omikron“. Befürchtet wird nun, dass diese Variante zu neuen Reisebeschränkungen und zusätzlichen Lockdown-ähnlichen Maßnahmen führen könnte. Die mögliche Folge wäre eine Abschwächung der Konjunkturdynamik bei gleichzeitiger Verschärfung der Lieferengpässe. Eine solche Entwicklung hätte dann eventuell auch Auswirkungen auf die geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken.

Apropos Geldpolitik: Die Unsicherheit bezüglich der nächsten geldpolitischen Schritte der FED ist nach den Anhörungen ihres Chefs Jerome Powell vor dem Kongress deutlich zurückgegangen. Allerdings überraschte Powell die Märkte jedoch mit der Aussage, es wäre angemessen, darüber zu diskutieren, ob die Drosselung der monatlichen Wertpapierkäufe nicht einige Monate früher beendet werden sollte als derzeit geplant. Er fügte hinzu, die Inflation sollte nicht mehr als «vorübergehendes» Phänomen betrachtet werden und befeuerte damit die Angst der Anleger vor einem geldpolitischen Richtungswechsel.

Teil 1: Omikron – der Versuch einer Einordnung

Die neu entdeckte Corona-Mutation Omikron sorgt für Verunsicherung an den Kapitalmärkten, da Fragen um die Übertragbarkeit und die Wirksamkeit derzeit verfügbarer Vakzine im Raum stehen. Die neue Variante sei zwar ansteckender als die Delta-Variante, führe jedoch zu milderen Krankheits-symptomen, heißt es derzeit aus Fachkreisen. In einem Interview mit der Financial Times äußerte sich der Vorstand des Impfstoff-Herstellers Moderna jüngst skeptisch zur Effektivität bestehender Impfstoffe gegenüber der neuen Mutation. Es könnte Monate dauern, bis ein angepasster Wirkstoff in großen Mengen bereitgestellt werden könnte. Auch Biontech erachtet eine Modifizierung ihres Impfstoffs als notwendig. Allerdings gab sich deren Chef Ugur Sahin optimistischer bezüglich der erwarteten Wirksamkeit der momentan verfügbaren Vakzine. Mit hoher Wahrscheinlichkeit schütze eine vollständige Impfung auch bei Omikron vor schweren Krankheitsverläufen. Die Oxford University veröffentlichte zudem, es gebe aktuell keine Belege, dass die verfügbaren Impfstoffe keinen Schutz bieten würden.

Pandemien schwächen sich normalerweise ab. Es gibt den berechtigten Optimismus, dass sich Covid ähnlich verhalten wird. Lokale und saisonale Ausbrüche werden uns begleiten, besonders in Ländern mit niedrigen Impfquoten. Wissenschaftler müssen auch nach neuen Varianten Ausschau halten, die in der Lage sein könnten, die Wirksamkeit von Vakzinen zu schwächen. Dennoch wird sich aus unserer Sicht das Leben in den kommenden Jahren, wenn sich das Virus in Richtung einer endemischen Krankheit wie Influenza entwickelt, wahrscheinlich wieder normalisieren.

Wir teilen die Bedenken der Anleger wegen des Auftretens der neuen Variante. Eine Wiederholung der Verwerfungen von 2020 an den Kapitalmärkten halten wir allerdings für unwahrscheinlich. Mit heutigem Wissensstand gehen wir davon aus, dass die Vakzine von Biontech und Moderna doch noch einen ausreichenden Schutz gegen die neue Variante bieten oder dass sich die Symptome von Omikron nicht als schwerer erweisen als die der Delta-Variante. Pfizer und BionTech erklärten zudem, eine aktualisierte Version des Covid-19-Impfstoffs könnte in 100 Tagen bereitstehen.

Regierungen, Unternehmen und Konsumenten haben gelernt, sich an Beschränkungen anzupassen. Die Risiken könnten primär mit Methoden wie Booster-Impfungen oder einer Maskenpflicht zu kontrollieren sein, statt erneut monatelange Lockdowns zu verhängen. Sollte dies eintreten, dürften sich die Investoren allmählich wieder auf die positiven Aussichten für das Gewinn- und Wirtschaftswachstum konzentrieren.

Für uns ist vor allem die Effektivität existierender Impfstoffe entscheidend. Sollte der Schutz nicht ausreichen, um eine Überfüllung der Intensivstationen zu verhindern, ist mit neuen restriktiven Maßnahmen zu rechnen. Der entscheidende Unterschied zwischen heute und März 2020 ist jedoch, dass Anleger heute Erfahrung mit der Pandemie haben. Auch wäre ein erneuter Lockdown für die Märkte nicht unbedingt eine Katastrophe. Losgelöst von regionalen Lockdowns schreitet die Erholung der Weltwirtschaft seit Monaten voran. Lediglich der Dienstleistungssektor ist stark beeinträchtigt. Die gesamte Entwicklung gilt es, trotz unseres vorsichtigen Optimismus, weiterhin genau zu beobachten. Mit dem heutigen Wissensstand sind wir aber nicht bereit, unsere Strategie überstürzt zu ändern.

Teil 2. US-Geldpolitik – Der Versuch einer Einordnung

Neben Omikron sorgen Aussagen von FED-Chef Jerome Powell für Unsicherheit an den Finanzmärkten. So geschehen bei einer Anhörung vor dem Bankenausschuss des US-Senats am 30. November. Im Vorfeld veröffentlichte Powell ein kurzes Statement, aus dem sich keine Änderungen am geldpolitischen Pfad der FED ableiten ließen. Während der Anhörung hatte Powell dann aber eine Reihe klarer Botschaften parat, die auf ein nicht unerhebliches Umdenken bei ihm selbst und möglicherweise auch bei anderen FED-Verantwortlichen schließen lassen. Demnach hätten die Aufwärtsrisiken für die Inflationsentwicklung zuletzt spürbar zugenommen (seit vielen Monaten in unseren Berichten immer wieder prophezeit). Die Inflationskriterien, welche die FED als Vorbedingung für Zinsanhebungen formuliert hatte, seien zweifelsfrei erfüllt. Powell ergänzte, es sei an der Zeit, den Inflationsauftrieb nicht mehr als „vorübergehend“ zu bezeichnen.

Der Begriff „transitory“ werde in der Öffentlichkeit weiterhin im Sinne von „kurzlebig“ interpretiert, dabei hatte Powell bereits vor einigen Wochen erläutert, „vorübergehend“ sei mit „vergänglich“ gleichzusetzen. Man merkt, die US-Notenbank versucht verzweifelt ihr Gesicht zu wahren. Powell rundete seine Einordnungen mit der Schlussfolgerung ab, es sei angemessen, nun über eine frühere Beendigung der Wertpapierkäufe nachzudenken. Im Jargon heißt dies, das Tapering werde beschleunigt. Der Offenmarktausschuss werde darüber auf seiner nächsten Sitzung in zwei Wochen beraten.

Statt Juni könnte das Bond-Kaufprogramm damit schon im Frühjahr 2022 beendet werden. Das ist deshalb von Bedeutung, da das Tapering nach Aussagen des FED-Chefs beendet sein muss, bevor eine erste Erhöhung der Leitzinsen beschlossen werden kann. Mit einem beschleunigtem Tapering könnte daher die Möglichkeit geschaffen werden, die Leitzinsen früher zu erhöhen.

Aus unserer Sicht deuten die Kommentare des FED-Chefs nicht auf bevorstehende Zinserhöhungen hin. Eine beschleunigte Rückführung der Anleihekäufe reduziert aber etwas den geldpolitischen Rückenwind für die Märkte. Allerdings geht aus dem Protokoll zur Novembersitzung der FED jedoch hervor, dass die Notenbank erst noch weitere Fortschritte in Richtung auf die Vollbeschäftigung sehen möchte. Zudem deuteten mehrere Teilnehmer an, sie zögen es vor geduldig zu bleiben und zunächst die weiteren Entwicklungen in den Lieferketten und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Inflation zu beurteilen.

Für uns war der Zeitpunkt der Ankündigung überraschend. Wir hatten derartige Veröffentlichungen eher in den ersten beiden Monaten des kommenden Jahres erwartet, da ab Dezember die Umsätze an den Finanzmärkten deutlich zurückgehen und derartige Ankündigungen für erhöhte Schwankungen sorgen. Dennoch ändert das unsere strategische Sichtweise nicht. Eine sehr starke Konjunktur, Inflationsraten jenseits der 6 Prozent, Nullzinspolitik und monatliche Anleihekäufe in Höhe von 120 Mrd. US-Dollar passen nicht zusammen. Wenn die US-Notenbank auch nur einen Funken an Handlungsfähigkeit zeigen will, dann muss sie sich jetzt bewegen. Wenn auch nur ein bisschen. Als Leser kennen Sie unsere Meinung: Die Notenbanken stecken längst in der Falle, die sie sich selbst gestellt haben. Die Verschuldung liegt nicht nur bei den Staaten, sondern auch bei vielen Unternehmen und Konsumenten so hoch, dass selbst marginale Zinserhöhungen oder nur schon die Erwartung steigender Zinsen sehr schnell Konsequenzen für Konjunktur und Kapitalmärkte haben. Die Verwundbarkeit gegenüber höheren Zinsen ist so hoch wie nie. Deshalb erwarten wir viele Jahre mit negativen Realzinsen. Trotz aller kurzfristigen Schwankungen, ein weiterhin ideales Umfeld für Sachwerte wie Aktien, Rohstoffe und Edelmetalle.

Übrigens: Im Euroraum ist das trotz einer Inflationsrate von knapp 5 Prozent im November – die höchste sei Beginn der Währungsunion – kein Thema. Die Unsicherheit um das Pandemiegeschehen hat die Erwartungen an eine Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder ins Jahr 2023 geschoben.

 

Ein kurzer Ausblick auf die kommenden Monate

Ja, natürlich gibt es Risiken, zwei von ihnen haben wir nun ausführlicher erörtert. Dazu gesellen sich, wie üblich, externe Schocks und geopolitische Krisen. Zu letzterem fallen uns die russischen Truppenverbände an der ukrainischen Grenze und der Taiwan-Konflikt ein.

Das ökonomische Umfeld zeigt sich aber weiterhin vielversprechend. Die Weltwirtschaft erholt sich beständig vom Schock der Pandemie. Dabei fällt die Aufwärtsbewegung, wie schon die vorausgegangene Kontraktion, äußerst ungewöhnlich aus. Engpässe und zunehmender Preisdruck, sonst spätzyklische Phänomene, sind diesmal schon fast von Anfang an zu beobachten.

Wir erwarten, dass die Inflation im Winter 2021/2022 noch etwas Auftrieb bekommt. Diese Preiserhöhungen könnten sich aber im weiteren Jahresverlauf etwas abschwächen, obwohl ein hohes Preisniveau wahrscheinlich nicht verlassen wird. Schließlich bedeuten rückläufige Inflationsraten nicht, dass Preise fallen, sondern sie steigen eben nur langsamer. Wir erwarten, dass einige Basiseffekte nachlassen und eine Nachfrageverschiebung von Waren zu Dienstleistungen vollzogen wird.

Eine Vielzahl von Faktoren kann die Vermögenspreise beeinflussen, und die Inflation ist nur einer von ihnen, wenn auch angesichts ihrer Auswirkungen auf die Geldpolitik ein wichtiger. Die Kombination aus Wirtschaftswachstum, Inflation und zögerlichen Notenbanken spricht weiterhin für Sachwerte-lastige Anlagestrategien. Aktien, Edelmetalle, mit Abstrichen Immobilien und Rohstoffe, sollten weiterhin in der Lage sein, ein Vermögen real zu erhalten bzw. zu vermehren.

Hohe Schwankungen dürften uns aber 2022 begleiten, wovon kein Sachwert verschont bleiben wird. Stabilisierend wirken steigende Unternehmensergebnisse, das an Dynamik gewinnende Wirtschaftswachstum sowie die mangelnden Anlagealternativen. Unternehmen sollten von einer erneut zunehmenden Wachstumsdynamik profitieren und die Gewinne sollten sich positiv entwickeln können. Gut geführte und solide finanzierte Unternehmen werden jede Krise überstehen.

Doch es ist enorm wichtig, auf Gesellschaften mit Preissetzungsmacht zu achten, die die höheren Inputkosten an die Kunden weitergeben können.

Dies ist auch für Rohstoffe ein aussichtsreiches Umfeld. Rohstoffe haben bereits einen starken Anstieg verzeichnet, dennoch bleiben wir angesichts des globalen Inflationsumfeldes und der historischen Sensitivität dieser Anlageklasse gegenüber steigenden Preisen optimistisch. Die Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage in den Bereichen Energie, Metalle und Landwirtschaft werden anhalten, da die jüngste Unterinvestition auf eine starke Nachfrage trifft. Darüber hinaus tragen die wachsenden Bemühungen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft dazu bei, die Kosten einer Vielzahl von Rohstoffen in die Höhe zu treiben.

Gold und andere Edelmetalle hätten eigentlich zu den Profiteuren des Jahres 2021 gehören müssen, schließlich gelten sie als klassische Absicherungen in einem inflationären Umfeld. Trotz hoher Inflation war die Wertentwicklung für uns im zu Ende gehenden Jahr enttäuschend.

Vielleicht gelingt in 2022 die Wende zum Besseren. Wir bleiben zuversichtlich. Allerdings bleibt die Konkurrenz zu Aktien und Kryptowährungen bestehen. Trotzdem bleiben Edelmetalle und vor allem Gold eine monetäre Versicherung und eine bewusste Entscheidung gegen das Halten von Euro, Dollar und anderen Währungen.

Wir wünschen allen unseren Lesern ein frohes Weihnachtsfest, einen guten Jahreswechsel sowie Gesundheit und viel Erfolg im neuen Jahr.

Ihr steinbeis & häcker-Team.

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