Der jüngste weltweite Anstieg der Renditen erhöht derzeit die Nervosität vieler Investoren und führt zu intensiven Schwankungen an den internationalen Kapitalmärkten. Die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen nähert sich Schritt für Schritt der von uns erwarteten 3-Prozent-Marke, welche die Obergrenze des jahrzehntelangen Abwärtstrends der Renditen darstellt und deshalb von Anlegern mit Argusaugen verfolgt wird.
Entscheidend bleiben aus unserer Sicht aber weiterhin die realen Zinsen, d.h. die nominalen Zinsen abzüglich der Inflationsrate. Nur zur Erinnerung: Wir haben immer wieder betont, dass wir keinen dauerhaften und nachhaltigen Anstieg der realen Renditen weltweit erwarten, die in einer hoffnungslos überschuldeten Welt dramatische Verwerfungen zur Folge hätten. Auch derzeit werden die nominalen Zinsen von einem deutlichen Anstieg der Inflationserwartungen in USA begleitet.
In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass sich der rasante Anstieg der nominalen Renditen in den nächsten Wochen zunächst beruhigen wird, es sei denn die Inflationsentwicklung gewinnt kurzfristig an Dynamik.
Kein Zweifel, die US-Inflationsraten werden sich in den kommenden Monaten nach oben bewegen. Die expansive Geld- und Fiskalpolitik sorgt in einem Umfeld wirtschaftlicher Prosperität für erhebliches Inflationspotential. Die Frage ist nur, in welchem Tempo diese Entwicklung voranschreitet. Drei wichtige Einflussfaktoren deuten darauf hin, dass die zur Entwertung der Schulden so sehnlich von den Zentralbanken gewünschte Geldentwertung nun endlich Tritt fasst. Erstens zeigt sich der US-Arbeitsmarkt weiterhin sehr solide. Es verwundert daher nicht, dass sich die positive Entwicklung mit einer Verzögerung nunmehr in der Lohnentwicklung widerspiegelt. So lagen die US-Stundenlöhne im Januar 2,9 Prozent über dem Wert des Vorjahres. Das ist die höchste Zuwachsrate seit 2009. Zweitens zeigen die Rohstoffe immer mehr Anzeichen einer nachhaltigen Erholung. Vor dem Hintergrund eines für 2018 zu erwartenden globalen Wirtschaftswachstums von knapp 4 Prozent, eine von uns schon länger prognostizierte und mittlerweile überfällige Entwicklung. Drittens ist die weitere Bewegung des US-Dollars genau zu beobachten. Seit Ende 2016 befindet sich der US-Dollar-Index, welcher den Wert des US-Dollars mittels eines Währungskorbs aus sechs Währungen vergleicht, unter Druck. D.h. der US-Dollar verliert gegenüber den wichtigsten Währungen an Wert.
Beschleunigt sich der Abwärtstrend, sind die inflationären Auswirkungen beträchtlich. Das Risiko ist nicht zu unterschätzen, zumal der US Finanzminister Steven Mnuchin beim Weltwirtschaftsforum in Davos offen die Vorteile eines schwachen US-Dollars diskutierte. Darüber hinaus beginnt der Kapitalmarkt aufgrund der Steuerreform die Nachhaltigkeit des Leistungsbilanzdefizits und der Staatsschulden in Frage zu stellen – und das völlig zu Recht. Vermutlich erhöht die US-Steuerpolitik die Defizite der öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren beträchtlich. Die Geschichte liefert ausreichend Beweise, dass staatliche Verschwendung Inflation mit sich bringt.
Auch in Europa sind die nominalen Renditen angestiegen. Die Konjunktur läuft so gut, dass die Langfristzinsen anziehen. Allerdings bewegen sie sich immer noch auf sehr niedrigen Niveaus. Schnell ging die Angst bei den Marktteilnehmern um, die Europäische Zentralbank (EZB) könnte schneller als erwartet einen restriktiven Kurs einnehmen. Wir halten diese Sorgen derzeit aber nicht für gerechtfertigt. Die EZB wird die Leitzinsen 2018 nicht erhöhen. Lediglich das Anleihekaufprogramm über 30 Mrd. Euro pro Monat dürfte im September auslaufen. Da die Inflation weiterhin auf einem niedrigen Niveau verharrt, sollten wir bei einem derzeitigen Renditeniveau von knapp 0,8 Prozent bei den 10-jährigen Bundesanleihen eher am Ende der derzeitigen Aufwärtsbewegung sein. Ein Risikofaktor für unsere Annahme wäre, wie in den USA, ein rascher und dynamischer Inflationsanstieg. Noch gehen wir davon aus, dass die Geldentwertung in den entwickelten Ländern vorläufig die Schwelle von 2 Prozent nicht nachhaltig überschreiten wird.
Konsolidierung am Aktienmarkt bietet Chancen
In unsern beiden vorausgegangenen Marktberichten haben wir unsere kurzfristige Zurückhaltung am Aktienmarkt zum Ausdruck gebracht. Eine weltweit boomende Konjunktur in Verbindung mit niedriger Inflation und niedrigen Zinsen haben die Anleger sorglos werden lassen. In einigen Bereichen zeigten die Aktienmärkte Anzeichen einer Überhitzung. Insbesondere in den USA beobachten wir einen rekordverdächtigen Optimismus, der von hohen Erwartungen begleitet wird. Es stellt sich die Frage, wie stabil diese Stimmung im Falle eines Kursrückganges sein wird und wie schnell Positionen dabei liquidiert werden.
Der Anstieg der Zinsen in den längeren Laufzeiten könnte nun der Auslöser einer bereinigenden Konsolidierung sein, welche der Euphorie der Marktteilnehmer entgegenwirken könnte. Das ist eine gesunde Entwicklung und bietet wieder die Chance, sich bei guten Unternehmen auf ermäßigtem Kursniveau einzukaufen. Eine dieser Opportunitäten erwarten wir im Laufe des Februars. Denn trotz der kurzfristigen Turbulenzen bleiben die übergeordneten Rahmenbedingungen extrem vielversprechend. Die Wirtschaft boomt und die Unternehmensgewinne steigen. Betrachtet man die ökonomischen Frühindikatoren dürfte sich das mittelfristig auch nicht ändern. Bremsend auf die weitere Kursentwicklung könnte sich aber von Zeit zu Zeit das Bewertungsniveau erweisen, wenn bei einzelnen Unternehmen die Gewinne nicht mit der Kursentwicklung schritthalten können.
Von einer Wende am Aktienmarkt zu sprechen halten wir für verfrüht. Mit Aktien lässt sich weiterhin Geld verdienen. Allein schon die Ausschüttungen sind überzeugend. Gemessen am MSCI Europe Index beläuft sich die Dividendenrendite der europäischen Aktien bei etwa 3,5 Prozent. Der Anleihemarkt bietet da weiterhin keine Alternative. Qualitätsaktien verbinden Substanz mit Ausschüttung, Anleihen sind nur Schulden.
Allerdings dürften die Schwankungen an den Märkten zunehmen und wahrscheinlich werden auch die Favoriten wechseln. Akteure an den Kapitalmärkten müssen sich auf sich verändernde Rahmenbedingungen einstellen. Steigende Inflationsraten, leicht steigende Nominalzinsen und eine sich in Nuancen ändernde Notenbankpolitik erfordern ein Umdenken. Beispielsweise erhalten zyklische Unternehmen den Vorzug vor defensiven und zinssensitiven Unternehmen. Während in den vergangenen Jahren Momentum- und Growth-getriebene Strategien erfolgreich waren, dürfte in der Spätphase dieses Wirtschaftszyklus wieder die Bewertung ein erfolgsversprechendes Selektionskriterium werden. Die Favoriten von gestern dürften also kaum die Gewinner von morgen sein.
Viel wird davon abhängen, wie sich die weltweit wichtigsten Notenbanken in einem Umfeld sehr starkem Wirtschaftswachstums und steigenden Inflationsraten verhalten. Aus unserer Sicht werden sie sehr vorsichtig agieren und im Zweifel höhere Inflationsraten als in der Vergangenheit zulassen, denn mit Inflation entwertet man Schulden. Seit Ausbruch der Finanzkrise vor über 10 Jahren kämpfen die Währungshüter für eine Inflationierung des Wirtschaftssystems und stemmten sich mit dramatischen konventionellen und unkonventionellen Maßnahmen gegen einen deflationären Zusammenbruch des überschuldeten Systems. Letzterer konnte verhindert werden, eine nachhaltige inflationäre Tendenz wollte sich aber in einer von Globalisierung und Digitalisierung geprägten Welt nicht entwickeln. Das ändert sich gegenwärtig. Die sogenannten Währungshüter verbuchen erste Erfolge. Diese werden sie nicht auf dem Altar einer restriktiven Geldpolitik opfern.
Wir gehen davon aus, dass die Notenbanken, trotz aller verbalen Beteuerungen, künftig bezüglich der Inflation mindestens auf einem Auge blind sein werden. Somit könnte die Hausse an den Aktienmärkten noch an Fahrt gewinnen, wenn die Zinsstraffung zu gering ausfällt. Es liegen spannende Monate vor uns.
Rohstoffe – zu lange vernachlässigt
In Anbetracht der weltweiten Konjunkturentwicklung notieren die meisten Rohstoffe auf niedrigem Niveau. Als spätzyklische Anlageklasse bieten Rohstoffe aus unserer Sicht in einem zusehends von Inflation geprägten Umfeld eine interessante Portfoliobeimischung. Da wir davon ausgehen, dass bestenfalls die Nominalzinsen, nicht aber die Realzinsen steigen werden, bleibt auch Gold in einer Vermögensallokation weiterhin unverzichtbar. Letztlich ist es der Realzins, der die Preisfindung des gelben Metalls nachhaltig beeinflusst. Es verwundert daher nicht, dass Gold seit Beginn 2016 (in USD gerechnet) deutlich gestiegen ist. Und das, obwohl sich die nominalen Zinsen gemeinsam mit den Aktienmärkten erhöht haben und die Kreditausfallsorgen gesunken sind.