Griechenland: Zweckoptimismus auf dem Weg zur Transferunion

von | 26. Juni 2018

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Von Markus Steinbeis, geschäftsführender Gesellschafter der steinbeis & häcker vermögensverwaltung gmbh

Na endlich: Die Griechenland-Krise wurde am 21. Juni von EU-Währungskommissar Pierre Moscovici für beendet erklärt. Nach einem acht Jahre dauernden Krisenzustand und drei riesigen Hilfsprogrammen soll das völlig überschuldete Land ab sofort wieder auf eigenen Beinen stehen können. Ohne große mediale Aufmerksamkeit, was vielleicht der gerade stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft geschuldet ist, bekommt Griechenland abermals eine Milliardenhilfe in Kombination mit Schuldenerleichterungen, um künftig wieder Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten zu erlangen. Die Sitzung der Eurofinanzminister in Luxemburg hat wieder einmal deutlich gemacht, dass die politischen Eliten immer noch nicht bereit ist, das Problem nachhaltig zu lösen. Es wäre das Eingeständnis einer Situation, in der Schulden erlassen werden müssen bzw. das Land lange auf Transferzahlungen der anderen Mitgliedsländer angewiesen sein wird. Stattdessen behandelt man Symptome und kauft sich wieder Zeit. Die Konkursverschleppung dauert an.

Zweckoptimismus als politisches Kalkül

Will man ein Problem politisch vom Tisch haben, erklärt man es einfach für beendet. So und nicht anders muss man die Aussagen der Eurofinanzminister am 21. und 22. Juni deuten. Der als „historisch“ bezeichnete Schritt, ein letztes Paket für Griechenland zu schnüren und das Land anschließen zur Refinanzierung seiner Schulden künftig wieder an die Kapitalmärkte zu entlassen, soll endlich einen Strich unter acht Jahre Dauerkrise ziehen. Konkret sehen die Beschlüsse vor, dass die Laufzeiten bereits vergebener Kredite um zehn Jahre verlängert werden und das Land nochmals eine Zahlung über 15 Milliarden Euro erhält – eine Art Mitgift. Dadurch dürfte das Cash-Polster auf etwa 24 Milliarden Euro ansteigen und Griechenland für etwa 20 Monate finanziell versorgt sein. Ob das so eintreten wird, ist mehr als fraglich. In den Beschlüssen sind zu viele Annahmen und Hypothesen, die der Realität mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten werden. So soll der Primärüberschuss, also der Überschuss vor Abzug des Schuldendienstes, bis 2022 bei 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, danach bis 2060 bei 2,2 Prozent. Eine Wirtschaftsentwicklung, die einen dauerhaften Primärüberschuss eines nicht wettbewerbsfähigen Landes über einen derart langen Zeitraum erlauben würde, ist so gut wie ausgeschlossen. Man muss also gar nicht die griechische öffentliche Haushaltsdisziplin anzweifeln, um zu dem Schluss zu kommen, dass diese ultra-optimistischen Projektionen in kürzester Zeit revidiert werden müssen. Als Sicherheit haben sich die politischen Akteure schon mal ein Hintertürchen offengelassen, in dem sie 2023 überprüfen wollen, „ob zusätzliche Schuldenerleichterungen nötig sind“. Aus unserer Sicht wird diese Überprüfung schon wesentlich früher stattfinden müssen.

Die griechische Schuldenlast bleibt auf Dauer untragbar

Im Zuge des globalen Wirtschaftsaufschwungs verzeichnet Griechenland zwar wieder Wirtschaftswachstum und Haushaltsüberschüsse, doch der Schuldenberg von 180 Prozent der Wirtschaftsleistung ist dauerhaft nicht finanzierbar. Derzeit tragen die EU-Steuerzahler über die Hilfspakete die Risiken, die Anleger an den internationalen Finanzmärkten nicht bereit sind zu tragen. Es stellt sich die Frage, welchen Zins diese Anleger für ihr Risiko fordern werden, wenn das Land sich wieder über Staatsanleihen refinanzieren muss. Wir vermuten, diesen Zins für mittlere und längere Laufzeiten bei etwa 4 bis 5 Prozent. Das wäre nicht finanzierbar unter der Annahme, dass das Wachstum des Landes die Zwei-Prozent-Marke wohl kaum dauerhaft durchbrechen kann. Übrigens, der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligt sich nicht mehr am jüngsten Kreditprogramm. Man kann sich keinen Kreditausfall leisten. Als Begründung brachte die Chefin des IWF dann ihre Bedenken zur langfristigen Schuldentragfähigkeit Griechenlands zum Ausdruck.

Die politische Entwicklung und der Kapitalmarkt wird eine Lösung erzwingen

Das Treffen der Euro-Gruppe hat wieder einmal verdeutlicht, dass ökonomische Realitäten weiterhin politisch nicht akzeptiert werden. Die Konkursverschleppung Griechenlands hat ein weiteres, für die europäischen Steuerzahler wieder teures Kapitel hinzubekommen. Die politischen Eliten in der EU sehen sich noch nicht imstande, die Bevölkerung mit der Wahrheit zu konfrontieren: Griechenland kann einen Großteil der Kredite niemals mehr zurückbezahlen. Dieses Eingeständnis und die damit verbundene Abschreibung wird aber nicht aus freien Stücken erfolgen. Politische und soziale Verwerfungen in Griechenland, Rezessionen oder Turbulenzen an den Kapitalmärkten werden irgendwann die Akteure zu einer Reaktion und Lösung zwingen. Dabei geht es gar nicht allein nur um Griechenland. Es geht vielmehr um die Tatsache, dass es aufgrund der ökonomischen Heterogenität der Euroländer langfristig nur zwei Lösungsansätze gibt. Entweder man lässt die Eurozone in der heutigen Form auseinanderbrechen oder man begibt sich auf den Weg zu einer Transferunion. Da die Eurozone diesen Weg längst eingeschlagen hat, wäre es an der Zeit, dies offen anzuerkennen und zu kommunizieren.

 

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