Kolumne von Gerd Häcker, geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH in München.
Als der angesehene US-Mathematiker Ralph Vince 40 Doktoranden auswählte, um mit ihnen ein Spiel zu spielen, wusste er noch nicht, wie erschütternd die Ergebnisse dieses Experiments sein würden.
Die Spielregeln
Er verteilte 1.000 US-Dollar an jeden Doktoranden. Danach zeigte er ihnen 100 Kugeln. Die Kugeln hatten verschiedene Farben. Es befanden sich 60 grüne und 40 rote Kugeln im Spiel.
Es wurde festgelegt, dass die roten Kugeln verlieren und die grünen gewinnen.
Die Aufgabe der Doktoranden bestand darin, einen beliebigen Geldeinsatz festzulegen. Danach wurde eine Kugel gezogen. Wurde eine grüne Kugel gezogen, so bekam der Doktorand seinen doppelten Einsatz zurück. Wurde eine rote Kugel gezogen, so verlor er seinen Einsatz komplett.
Die Teilnehmer wurden gebeten, insgesamt 100 dieser Transaktionen in Folge durchzuführen. Jeder von ihnen wusste vorher schon, dass die Trefferquote bei 60 Prozent lag, da ja bekannt war, wie viele Kugeln es von jeder Farbe gab.
Erschreckendes Ergebnis
Nachdem die Teilnehmer alle Transaktionen abgewickelt hatten, wurden die Ergebnisse analysiert. Sie waren erschreckend. Nur zwei von vierzig Teilnehmern konnten die vorgegebene Situation zu ihren Gunsten verwerten und machten Gewinne. Sie besaßen am Ende mehr Geld als zu Beginn des Experimentes. 38 Doktoranden schlossen ihre Transaktionen mit einem negativen Ergebnis ab und besaßen nachher weniger Kapital als vorher. Und das Ganze trotz einer positiven Trefferquote von immerhin 60 Prozent!
Was können wir aus dem Experiment lernen?
Im Portfoliomanagement haben wir es laufend mit Entscheidungen zu tun. Die genauen Trefferquoten unserer Entscheidungen sind wegen vieler Unwägbarkeiten nicht exakt zu prognostizieren.
Den Geldeinsatz für eine Transaktion legen Portfoliomanager nicht selten nach ihrem Bauchgefühl fest. Was das zur Folge haben kann, konnten wir im Experiment von Ralph Vince sehen.
Die Bedeutung dieser Dimension ist aus meiner Erfahrung nur einigen wenigen Investoren bewusst.
Plädoyer für wertorientierte Strategien
Der wertorientierte, langfristige Investor ist klar im Vorteil, da er genaue Vorstellungen von der fairen Bewertung seiner Anlagen hat. Damit kann er Investments mit besseren Chance-Risiko-Profilen in sein Portfolio einbinden als im beschriebenen Experiment. Im gezeigten Beispiel gab es als Gewinn nur den einfachen Risikoeinsatz zurück.
Value-Investoren ist es möglich, Anlagen zu finden, bei denen der Ertrag durchaus drei- bis viermal so hoch liegen kann als das einkalkulierte Risiko. Auf Portfolioebene sind durch gut ausgewählte Chance-Risiko-Profile auch keine sehr hohen Trefferquoten nötig, um erfolgreich zu sein. Durch eine gute Fundamentalanalyse kann die langfristige Trefferquote bei Value-Investments bedeutend höher liegen als bei anderen Investmentansätzen. Die Chancen auf eine systematische und substanzielle Kapitalvermehrung wächst damit deutlich.
Geldeinsatz als heiliger Gral
Wenn man diese Erkenntnisse beherzigt, so kann man seine Ergebnisse eigentlich nur noch durch unsystematisches Einsatzverhalten zerstören. Am Anlagerisiko der Einzelanlagen ausgerichtete Gewichtungen sind sinnvoll, da sich dadurch die Portfoliorisiken gleichmäßiger verteilen lassen.
Sollten sich Portfolios durch Fehlentscheidungen negativ entwickeln, sollten die Verantwortlichen ihre Risikoeinsätze immer reduzieren, um das eingesetzte Kapital zu schützen. Im Falle einer positiven Wertentwicklung sind die Einsatzgrößen prozentual zu erhöhen, um das Kapital auch ausreichend wachsen zu lassen.